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11 Episode: Steffen Mumm // Kunst und Produktivität

Kreative Zettelwirtschaft

Steffen Mumm ist Künstler. Er arbeitet mit Leinwänden, Sprühdosen und Druckplatten. Er stellt Siegelringe, Socken und Seidentücher her, liebt Bullet Journals, Skizzenbücher und Notizbücher. Alles, was er zeichnet, malt und produziert, schreibt er vorher auf. Irre? Nein, kreativ!

Steffen Mumm, Ihre Arbeit ist eine Kombination aus Graffiti, Kalligrafie, Illustration und Malerei.

Graffiti war ein großer Teil meines Lebens, findet aber fast gar nicht mehr statt. Meine „Heads“, die Gesichter, an denen ich in den letzten fünf Jahren intensiver gearbeitet habe, sind nun die Essenz, die sich herausdestilliert hat.

Zeichnen Sie Ihre Arbeiten in den Notizbüchern vor?

Das ist unterschiedlich. Ich skizziere viel in Notizbüchern, arbeite aber auch digital auf dem iPad. Manchmal greife ich einfach einen Fetzen Papier, der irgendwo herumliegt. Es kommt darauf an, was gerade in der Nähe ist.

Wie finden Ihre Aufzeichnungen den Weg vom Notizbuch oder Papierfetzen aufs große Papier oder die Leinwand?

Ebenso unterschiedlich. Ein Weg kann sein, dass ich eine Idee grob im Notizbuch skizziere, sie anschließend in einem digitalen Zeichenprogramm konkretisiere und das Ergebnis dann auf eine Leinwand bringe. Das Digitale ist gut, um Farben zu testen. Aber das intuitive Scribbeln funktioniert am besten auf dem Papier.

„Das Bullet Journal ist wie mein Hirn. Alles, was ich denke, plane, unternehme und anstelle, steht zuerst im Buch.“

Ihre „Heads“ kommen mit wenigen Strichen aus. Wie sparsam oder großzügig gehen Sie mit den Seiten in Ihren Notizbüchern um?

Da ich oft sehr schnell arbeite, verbrauche ich viel Papier. Das ist der Preis, den ich für meine Arbeitsweise zahle. In den Notizbüchern gehe ich jedoch vorsichtiger mit dem Platz um. Hier arbeite ich konzentrierter, zum Beispiel wenn ich Zeichnungen für Skulpturen mache – ich zeichne dann nicht unbedingt eine Seite nach der anderen voll.

Denken Sie in Worten oder in Bildern?

Sobald es um meine Kunst geht, denke ich in Bildern. Das Verschriftlichen von Gedanken ist nicht meine Welt, außer privat, wenn ich Tagebuch schreibe. Meine „Heads“ sprechen eine internationale Sprache, ohne zu sprechen. Man versteht sofort „ah, das ist ein Gesicht“. Alles weitere entfaltet sich im Betrachter – ohne mein Zutun.

Wie unterscheiden sich Handschrift und gesprühte Schrift?

Interessant an der Arbeit mit der Sprühdose ist die Tatsache, dass es keinen Widerstand wie beim Schreiben auf Papier gibt. Das macht sehr frei, ich arbeite und erschaffe mit dem Körper. Wenn ich mit der Hand schreibe, ist das feiner, näher, intimer. Die Dose hat etwas extravertiertes, der Stift richtet sich nach innen.

„Ich schreibe Tagebuch, um etwas herauszulassen, dabei zu reflektieren und gleichzeitig loszulassen.“

Wenn Sie mit dem Stift arbeiten: Haben Sie Vorlieben, etwa auch in Bezug auf das Papier?

Bei Notizbüchern bevorzuge ich glattes Papier und gepunktete Seiten. Ich nutze einen Drehbleistift, mit dem ich auch skizziere. Mein Leben kann ich nur mit dem Bleistift planen.

Warum Bleistift?

Weil sich ständig was verändert und dann verändert sich die Planung. Ein Bleistift an sich ist flüchtig und weich. Das macht schon das Schreiben und Skizzieren mit dem Bleistift angenehm, ja sogar einladend.

Sie nutzen seit vielen Jahren Bullet Journals. Warum?

Das Bullet Journal ist wie mein Hirn. Alles, was ich denke, plane, unternehme und anstelle, steht zuerst im Buch. Ich habe vorne sogar reingeschrieben, dass ich 200 Euro Finderlohn zahle. (Lacht)

Schreiben Sie auch Tagebuch?

Ja. Seit ich bei einer persönlichen Krise damit anfing, ist das meine allabendliche Routine. Ich habe das Buch neben dem Bett liegen und der Eintrag ist der letzte Akt des Tages. Die Tagebücher führe ich unabhängig von den Skizzenbüchern und Bullet Journals. Früher habe ich noch ein Dankbarkeitstagebuch geführt. Aber aus der Praxis ist eine alltägliche Routine geworden, die ich in Gedanken umsetze.

Was bringt Ihnen das Tagebuchschreiben?

Mit der Zeit habe ich festgestellt, dass es mir nicht darum geht, etwas zu konservieren. Ich schreibe Tagebuch, um etwas herauszulassen, dabei zu reflektieren und gleichzeitig loszulassen. Das geschieht alles fast im selben Moment.

Gibt es ein Tagebuch, das Sie hüten wie einen Schatz?

Nein. Ich möchte mich nicht zu sehr an Materielles binden. Vor Jahren habe ich auf die Frage, was ich mitnehmen würde, wenn meine Wohnung brennt, noch mit „Meine Tagebücher“ geantwortet. Heute sehe ich das anders. Ich glaube, ich kann gut loslassen. Das gilt auch für meine Notizbücher.

Steffen Mumm

Steffen Mumm, 34, lebt und arbeitet als Künstler in Düsseldorf. Nach einer Ausbildung zum Mechatroniker studierte er Design an der Fachhochschule Krefeld (Schwerpunkt Kalligrafie und Illustration) und nahm als freiberuflicher Künstler unter dem damaligen Pseudonym „Hoker“ schon früh Auftragsarbeiten für Graffiti und Malerei im Stadtraum an, von ihm gestaltete Hauswände sind in Düsseldorf und Krefeld zu sehen. 

Seit 2019 konzentriert sich Mumm auf Malerei, Drucke, Skulptur sowie auf die künstlerische Gestaltung von Alltagsgegenständen. So zieren seine „Heads“ auch Vasen, Siegelringe, Socken und Seidentücher, die er unter dem Eigenlabel „Studio Mumm“ selbst vertreibt. In Düsseldorf vertritt ihn die Galerie Kunst & Denker Contemporary. Steffen Mumms Arbeiten sind Teil internationaler Sammlungen und Museen.


Autor Ilona Marx

Ilona Marx ist Designjournalistin und Mitbegründerin des Modefachmagazins „J’N’C“. Sie ist Contributing Editor im Team des „Konfekt Magazine“. Ihre Themen: Interior Design, Mode, Gastronomie, Kunst. Darüber hinaus schreibt sie für „Monocle“, „The Weekender“, „Condé Nast Traveller“, „Salon Magazin“ und „Architektur&Wohnen“. Ilona Marx lebt mit ihrem Mann in Düsseldorf.

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